Welchen Schulungsanspruch haben die Mitglieder des Wahlvorstands und die Ersatzmitglieder?

Die Wirksamkeit der Betriebsratswahl liegt in den Händen des Wahlvorstands, der die Wahl einleitet und durchführt. Die Vorschriften zur Durchführung der Wahl sind höchst komplex und fehleranfällig. Fehler des Wahlvorstands können schnell zur Anfechtung der Wahl führen.

Deshalb hat das BAG bereits im Jahr 1984 (Urteil vom 07.06.1984 - 6 AZR 3/82) entschieden, dass „angesichts der Gefahr einer drohenden Wiederholung und dem damit verbundenen hohen Kostenrisiko für den Arbeitgeber … eine möglichst genaue Kenntnis der Wahlvorschriften durch die Mitglieder des Wahlvorstandes erforderlich“ ist.

Alle Wahlvorstandsmitglieder müssen geschult sein

Eine Schulung von Mitgliedern des Wahlvorstands ist nicht etwa deshalb entbehrlich, weil eines der Mitglieder bereits ausreichende Kenntnisse über das Wahlverfahren hat. Dies widerspräche dem Grundsatz, dass jedes Wahlvorstandsmitglied sein Amt unabhängig und eigenverantwortlich ausübt. Deshalb hat jedes stimmberechtigte Mitglied des Wahlvorstands, das nicht über einen ausreichenden Kenntnisstand verfügt, einen entsprechenden Schulungsanspruch (vgl. LAG Hamburg, Urteil vom 14.03.2012 - H 6 Sa 116/11).

Erstmalig gewählte Wahlvorstandsmitglieder müssen die Erforderlichkeit der Schulungsteilnahme regelmäßig nicht begründen

Erstmals berufene Wahlvorstandsmitglieder verfügen im Regelfall noch nicht über die entsprechenden Kenntnisse über die Wahlvorschriften, so dass die Erforderlichkeit der Schulungsteilnahme zu bejahen ist, ohne dass dies vom betreffenden Wahlvorstandsmitglied näher dargelegt werden muss (LAG Hessen, Beschluss vom 26.03.2018 - 16 TaBVGa 57/18).

Auch für wiedergewählte Wahlvorstandsmitglieder besteht ein Schulungsanspruch

Auch für Wahlvorstandsmitglieder, die bereits früher eine Tätigkeit im Wahlvorstand wahrgenommen haben, entfällt nicht automatisch die Erforderlichkeit der Schulungsteilnahme.

Schon aufgrund vieler neuer und wichtiger Entscheidungen der Arbeitsgerichte zur Betriebsratswahl sollte jedes Wahlvorstandsmitglied – und sei es noch so „erfahren“ – an einer Schulung teilnehmen, denn diese ist „erforderlich“

Schulungsbedarf auch für wiedergewählte Wahlvorstandsmitglieder

Zudem hat das LAG Schleswig-Holstein (Urteil vom 07.07.1994 - 4 Sa 88/94) richtigerweise festgestellt, dass die Wahlvorschriften für juristische Laien außerordentlich kompliziert sind, so dass das Wissen regelmäßig durch eine systematische Anleitung aufgefrischt und aktiviert werden muss. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Wahlvorstand seine Arbeit unverzüglich aufnehmen muss und dabei komplizierte Verfahrensvorschriften zu beachten hat, so dass grundsätzlich jedes und nicht nur das erstmals gewählte Wahlvorstandsmitglied einen begründeten Schulungsbedarf hat. Um die gesetzlichen Aufgaben und die zahlreichen Formvorschriften korrekt wahrzunehmen, ist ein hohes Maß an Information erforderlich, das auch erfahrene Wahlvorstandsmitglieder erst wieder erlangen müssen. Dabei muss berücksichtigt werden, dass zwischen den Wahlen vier Jahre liegen, in denen die Wahlvorschriften nicht angewendet werden, im Gegensatz zu den Regelungen des Betriebsverfassungsrechts für Betriebsratsmitglieder. Zudem müssen sich die Wahlvorstandsmitglieder über die aktuelle Rechtsprechung informieren können.

Ersatzmitglieder des Wahlvorstands haben einen Schulungsanspruch

Ja. Im Falle eines Ausfalls eines Mitglieds des Wahlvorstands müssen sie dessen Funktion wahrnehmen, was auch kurzfristig der Fall sein kann. Aus diesem Grund müssen auch sie über die erforderlichen Kenntnisse verfügen (LAG Hessen, Beschluss vom 26.03.2018 - 16 TaBVGa 57/18).

Der Wahlvorstand fasst den Beschluss über die Schulungsteilnahme

Der Schulungsanspruch setzt einen Beschluss des Wahlvorstands voraus (LAG Hessen, Beschluss vom 06.12.2007 - 9 TaBV 153/07). Der Beschluss über die Entsendung des gesamten Wahlvorstands bzw. bestimmter Wahlvorstandsmitglieder muss in einer ordnungsgemäß durchgeführten Sitzung des Wahlvorstands stattfinden.

Der Wahlvorstand unterrichtet den Arbeitgeber im Anschluss über seine Beschlussfassung. Dem Arbeitgeber müssen in der Mitteilung nicht nur die jeweiligen Teilnehmer benannt werden, sondern auch Ort, Zeit und Dauer der Schulungsveranstaltung sowie ein Ablaufplan des jeweiligen Veranstalters, aus dem sich die Inhalte der Schulung ergeben. Dazu gehört auch eine Information über die Kosten des Seminars.

In der Mitteilung sollte der Arbeitgeber gebeten werden, innerhalb einer näher angegebenen Frist (14 Tage) eine Erklärung über die Übernahme der anfallenden Kosten der Schulungsteilnahme abzugeben.

Musterbeschluss Wahlvorstandsschulung

Mitteilung Wahlvorstand Entsendung Wahlvorstandsschulung

Die Anspruchsgrundlage für den Schulungsanspruch des Wahlvorstands

Der Schulungsanspruch der Mitglieder des Wahlvorstands ergibt sich aus § 20 Abs. 3 BetrVG und nicht aus § 37 Abs. 6 BetrVG. Dort ist geregelt, dass der Arbeitgeber die Kosten der Wahl zu tragen hat und Versäumnis von Arbeitszeit, die zur Betätigung des Wahlvorstands erforderlich ist, den Arbeitgeber nicht zur Minderung des Arbeitsentgelts berechtigt.

Umgang mit typischen Einwänden des Arbeitgebers gegen die Schulungsteilnahme von Wahlvorstandsmitgliedern

Für den Umgang mit Einwänden gegen die Schulungsteilnahme kann auf die Grundsätze des § 37 Abs. 6 BetrVG zurückgegriffen werden.

Arbeitgeber verweist auf eine billigere Schulung

Zunächst einmal gilt, dass der Wahlvorstand bei der Auswahl der Schulung einen Beurteilungsspielraum hat.

Wenn zwischen zwei Seminaren jedoch eine erhebliche Preisdifferenz besteht, muss der Wahlvorstand mit sachlichen Argumenten begründen können, warum er das teurere Seminar für qualitativ besser hält. Kann er den qualitativen Unterschied nicht darlegen, kann der Arbeitgeber den Wahlvorstand auf das billigere Seminar verweisen.

Eine erhebliche Preisdifferenz kann bei einem Preisunterschied von 50% angenommen werden (siehe dazu BAG, Beschluss vom 19.03.2008 - 7 ABR 2/07; LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 20.05.2020 - 7 TaBV 11/19).


Arbeitgeber verweist auf eine kürzere (und billigere) Schulung

Bei der Auswahl des Seminars hat der Wahlvorstand einen Beurteilungsspielraum. Nur wenn zwei gleichzeitig stattfindende Seminare auch nach Auffassung des Wahlvorstands qualitativ gleichwertig sind, darf der Wahlvorstand auf ein billigeres Seminar verwiesen werden.

Ein qualitativer Unterschied ergibt sich zum Beispiel aus den auf dem Seminar vermittelten Inhalten. Wenn auf einem Seminar mehr Stoff vermittelt wird als auf einem anderen, sind die beiden Seminare qualitativ nicht vergleichbar.

Beispiel

Der Wahlvorstand möchte zu dem Seminar „Betriebsratswahl und konstituierende Sitzung – mit Wahlsimulation“ der aas fahren. Der Arbeitgeber verweist auf ein kürzeres Seminar zur Betriebsratswahl.

Der Wahlvorstand müsste nun auf die Besonderheit des Seminars „Betriebsratswahl und konstituierende Sitzung – mit Wahlsimulation“ verweisen.

Auf diesem Seminar wird nach der Wissensvermittlung von den Teilnehmern eine Betriebsratswahl mit allen Formularen und Inhalten ganz konkret durchgeführt. So können die Teilnehmer erkennen, ob sie wirklich alles verstanden haben und das Gelernte mit dem Referenten einmal konkret anwenden.

Nach der Rechtsprechung des LAG Hessen (LAG Hessen, Beschluss vom 14.05.2012 − 16 TaBV 226/11) nimmt ein Seminar, in dem der Stoff von den Teilnehmern in Arbeitsgruppen erarbeitet wird, typischerweise mehr Zeit in Anspruch als ein Seminar, in dem der Stoff durch Frontalunterricht vermittelt wird.

Ein solches Seminar kann der Wahlvorstand für qualitativ hochwertiger halten und darf es einem kürzeren und billigeren Seminar ohne einen entsprechenden Praxisteil vorziehen.


Der Arbeitgeber verweigert die Übernahme der Übernachtungskosten

Zunächst einmal ist darauf hinzuweisen, dass es von der Rechtsprechung allgemein anerkannt ist, dass der Austausch zwischen den einzelnen Teilnehmern und den Referenten wichtig ist, um das Gehörte mit eigenen Beispielen aus der Praxis aufzufüllen, sich bei Kollegen Rat zu holen und die Gegebenheiten in anderen Betrieben kennen zu lernen.

Für die Frage, ob es für ein Wahlvorstandsmitglied zumutbar ist, zum Seminarort hin- und zurückzufahren, hängt von der anfallenden Fahrtzeit ab. Als Richtgröße kann man annehmen, dass eine einfache Fahrtzeit von mehr als 60 Minuten nicht zumutbar ist (vgl. ArbG Düsseldorf, Beschluss vom 03.09.2004 - 12 BV 56/04).

Es stellt sich also die Frage, ob das vom Wahlvorstand ausgesuchte Seminar in bis zu einer Stunde pro Fahrtstrecke zu erreichen ist. Wenn das der Fall ist, wird der Arbeitgeber mit seinem Verweis regelmäßig Erfolg haben.

Verweist der Arbeitgeber hingegen auf ein anderes Seminar als das vom Wahlvorstand ausgesuchte, kommt es darauf an, ob das Seminar zeitgleich stattfindet. Ist das nicht der Fall, kommt es darauf an, ob die Wahlvorstandsmitglieder zu dem vom Arbeitgeber vorgeschlagenen Alternativtermin können, und ob es für den Wahlvorstand zumutbar ist, seine Schulungsteilnahme zu verschieben. Das wird nicht der Fall sein, wenn zwischen den Terminen mehrere Wochen liegen, da der Wahlvorstand das Wissen alsbald für seine Arbeit benötigt.

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